Pädagogik

Theaterspiel am Patronatsfest: Die Brücke von St. Kado

Gegenstand jeder christlichen Erziehung ist der ganze Mensch, und zwar mit seinem Leib und seiner unsterblichen Geistseele, welche mit Vernunft und freiem Willen ausgestattet ist. Dieser Mensch leidet jedoch unter den Folgen der Erbsünde, was die Erreichung des Zieles, der ewigen Glückseligkeit im Himmel, erschwert.1  Mit diesem Menschenbild vor Augen hat der hl. Don Bosco ein Jugendwerk lanciert, dessen Pädagogik wir uns zu eigen machen wollen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Erziehung ist nach Don Bosco das Vertrauen zwischen Erziehern und Jugendlichen.2  Obwohl Don Bosco keine systematische Abhandlung über seine Erziehungsmethoden geschrieben hat, können besonders zwei Arten von pädagogischen Faktoren aus seinen Schriften herauskristallisiert werden, nämlich präventiv und positiv motivierende Faktoren.3  In der Praxis sind diese eng miteinander verknüpft, trotzdem sollen sie hier theoretisch auseinandergehalten werden.

1. Präventive Motivation

Gemäss der Präventivmethode des hl. Don Bosco sollen die Jugendlichen nicht primär durch Strafen von sündhaften Ideen und dem daraus resultierenden Verhalten ferngehalten werden, sondern durch positive Beschäftigungen, welchen sie sich ohne Zwang und mit Freude hingeben. Er schreibt dazu: „Man soll die Jungen immer beschäftigt halten. Abgesehen von Schule und Handwerk sollten sie auch noch in Musik ausgebildet werden und sich im Altardienst üben können. Auf diese Weise ist ihr Geist immer beschäftigt. Wenn wir sie nicht beschäftigen, dann beschäftigen sie sich bestimmt selbst, zuweilen mit nicht guten Ideen und Sachen.“4  Aus diesem Grund legen wir am Institut Sancta Maria besonderen Wert auf ein breites Freizeitangebot, und zwar in den Bereichen Kultur, Sport und Handwerk.

Kultur

Zu allen Zeiten schaffen sich Menschen ein Lebensumfeld, das geprägt ist von den Grund-sätzen ihrer inneren Überzeugungen. Das Christentum hat im Abendland in der Literatur, der Musik und den verschiedenen Arten der Kunst Meisterwerke höchsten Ranges hervorgebracht, welche imstande sind, den Menschen sittlich und geistig zu heben und zu veredeln. Das Institut Sancta Maria ist bemüht, die Heranwachsenden mit diesen Gütern vertraut zu machen, da in ihnen der Glaube auf eine nicht rein theoretisch-wissensmässige Art, sondern praktisch und lebensnah erfahrbar wird. Die eigene Auseinandersetzung mit diesen Kulturgütern kann eine Persönlichkeit tiefgehend und nachhaltig formen und ist daher ein gar nicht hoch genug anzusetzendes Erziehungsmittel.5

Sport

Sport fördert sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit. Ausserdem werden verschiedene Kompetenzen gefördert, zum Beispiel die sozialen wie Kameradschaft, Kooperation und Teamgeist, Toleranz und Fair Play, oder auch die Selbstkompetenzen wie Konzentration, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen, Zuverlässigkeit, Ordnung. Nicht zuletzt sind sportliche Aktivitäten gute Anlässe für die Jugendlichen, auch in den Tugenden zu wachsen. Papst Pius X. hat sich ebenfalls dazu geäussert: „Ich bewundere und segne von ganzem Herzen alle Spiele und Freizeittätigkeiten, Gymnastik, Radfahren, Bergsteigen, Rudern […] und alle Wettspiele, denen ihr euch widmet. Die Bewegung des Körpers beeinflusst aufs Beste die Beweglichkeit des Geistes. Da diese Tätigkeiten Mühe kosten, besiegt ihr durch sie die Trägheit, welche die Mutter aller Laster ist. Diese freundschaftlichen Wettstreite werden für euch ein Vorbild zur Ausübung der Tugenden sein.“6

Handwerk

Jeder Schüler hat Talente, die nach Möglichkeit gefördert werden sollen. Aus diesem Grund bieten wir den Schülern auch verschiedene Projekte handwerklicher Natur an, für die sie sich selbst ihren Interessen entsprechend eintragen dürfen. Dies fördert die Zufriedenheit unter den Schülern und motiviert sie, ihre eigenen Talente zu entdecken und zu entfalten.

2. Positive Motivation

Werterschliessende Faktoren: Religion, Vernunft, Liebe

Don Bosco schrieb im Jahr 1864 über die Erziehung der Jugendlichen: Religion und Vernunft sind die zwei Triebfedern meines ganzen Erziehungssystems. […] Wahre, aufrichtige Religion, welche die Handlungsweise des Jugendlichen bestimmt und die Vernunft, welche die religiöse Grundhaltung auf die einzelnen Handlungen anwendet, ergibt, in zwei Worte gefasst, die von mir angewandte Methode, deren grosses Geheimnis sie zu kennen wünschen.“ Dann fügte Don Bosco hinzu, dass als weiterer Faktor die Liebe hinzukomme, die sich besonders in der Gottesfurcht und der väterlichen Liebe des Erziehers zeige.7 Diese werterschliessenden Faktoren sollen auch am Institut Sancta Maria die Jugendlichen intrinsisch motivieren.

  • Religion

„Omne agens agit propter finem – Alles Wirkende wirkt wegen eines Zwecks,“8 lautet ein klassisches Prinzip beim hl. Thomas von Aquin. Mit einem sinnvollen Ziel vor Augen tun sich Jugendliche leichter, an sich zu arbeiten und sich konstruktiv einzubringen. Nach Thomas müssen alle untergeordneten Ziele auf das eine und höchste Ziel eines jeden Menschen hingeordnet sein, nämlich Gott. Bei ihm finden wir das unvergängliche Glück, sofern wir ihn lieben.

Don Bosco stellt fest, dass die Jugendlichen ein feinfühliges und leicht zur Dankbarkeit geneigtes Gemüt besitzen. Gelingt es nun den Pädagogen, den Jugendlichen die Liebe Gottes zu uns Menschen zu erschliessen, die er uns im Erlösungswerk offenbart, dann sind diese nach Don Bosco leicht dazu geneigt, Gott gegenüber Liebe und Dankbarkeit zu zeigen, die sich in der Ausführung seines Willens und der Beobachtung seiner Gebote zeigt,9 besonders auch des Gebotes der Nächstenliebe. Das ist ein täglicher Kampf, doch mit der Gnade Gottes ist dies möglich, wie der Apostel Paulus ausführt: „Ich vermag alles in dem, der mich stärkt.“10 Aus diesen Gründen ist das Internatsleben am Institut in ein religiöses Rahmenprogramm gebettet.

  • Vernunft

Die Anwendung der religiösen Grundhaltung auf die einzelnen Handlungen im Alltag muss nach Don Bosco von der Vernunft geleitet sein. Dies ist auch ein wichtiges Prinzip beim hl. Thomas von Aquin, dass nämlich die Vernunft die Tugendübung leiten muss, damit es weder in die eine noch andere Richtung zu Übertreibungen kommt.11

Aus diesem Grund legen wir Wert darauf, dass auch die Freizeitbeschäftigungen nicht nur ein Zeitvertreib sind, sondern auch vernünftig und sinnvoll gestaltet werden. Auch sollen die Schüler Anordnungen nachvollziehen können, selbst wenn sie es nicht in jedem Einzelfall tun. Dass aber Jugendliche sich auch einer Regel fügen lernen, deren Sinn sie nicht nachvollziehen können, gehört zum Erwachsenwerden dazu und fördert nach Winterhoff die Frustrationstoleranz.12

  • Liebe

Die Atmosphäre am Institut Sancta Maria soll von christlicher Nächstenliebe und gegenseitigem Respekt geprägt sein. Kameradschaft und Toleranz untereinander nimmt einen hohen Stellenwert ein. Im Gegensatz zu einer egoistischen Liebe richtet die selbstlose Liebe den Blick auch auf das Wohl der Mitmenschen gemäss den Worten des Heilandes: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“13 Eine solche selbstlose Liebe zeigt sich in Opferbereitschaft und Hingabe, da sie für das Wohl der Mitmenschen auch etwas einstecken kann, und wie Thomas von Aquin ausführt, folgt dieser Liebe echte Freude im Herzen.14 Aus diesem Grund sehen wir es als gutes Zeichen, wenn die Kinder Freude ausstrahlen.

Stufenplan

Die Jugendlichen reflektieren gemeinsam mit ihrem Betreuer ihre persönliche Entwicklung. Die Jugendlichen erlangen bei konstruktivem Verhalten und zunehmender Selbständigkeit kleine Privilegien. Dazu bedient man sich am Institut eines sogenannten „Stufenplansystems“. Die Beurteilung erfolgt anhand eines für die Jugendlichen transparenten Kriterienrasters, welches sowohl die Schule als auch das Internat berücksichtigt.

Weitere Möglichkeiten zur positiven Motivation

Weitere Mittel zur positiven Motivation werden den Umständen entsprechend eingesetzt und können daher jedes Jahr ein wenig variieren. So erhalten jene Schüler vor Weihnachten eine zusätzliche Süssigkeit, die regelmässig ihr Instrument üben. Die freiwilligen Scholasänger essen Ende Jahr gemeinsam Pizza oder der Schulchor wird mit einem besonderen Ausflug belohnt usw.

Jährlich findet ein Jahreswettbewerb statt, zum Beispiel in den Bereichen: Kameradschaft, Ordnung, Disziplin, bester Notenschnitt, grösste Steigerung des Notenschnittes. Die Gewinner erhalten als Belohnung einen Wochenendausflug in eine kulturell interessante Stadt Europas. Die zweit- und drittplatzierten werden vom Rektor zu einem besonderen Abendessen eingeladen.

  • 1Papst Pius XI., Enzyklika Divini illius Magistri vom 31. Dezember 1929. In: Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Nr. 447. vgl. auch Thomas von Aquin, Summa theologica, I-II q 85, a 3.
  • 2Seelbach Theodor, Don Bosco als Erzieher. Bendorf 1956. S. 138.
  • 3Enders Nikolaus, Die psychologische Begründung der Erziehungsmethode Don Boscos. München 1951. S. 20ff.
  • 4Seelbach Theodor, Don Bosco als Erzieher. Bendorf 1956. S. 151.
  • 5Vgl. Spitzer Manfred, Musik im Kopf. Stuttgart 2008. Bastian Hans Günther, Kinder optimal fördern mit Musik – Intelligenz, Sozialverhalten und gute Schulleistungen durch Musikerziehung. Mainz 2003.
  • 6Ansprache von Pius X. an die Jugend am 8. Oktober 1905.
  • 7Enders Nikolaus, Die psychologische Begründung der Erziehungsmethode Don Boscos. München 1951. S. 30.
  • 8Thomas von Aquin, Summa Theologiae. I q. 44 a. 4
  • 9Joh 14,21
  • 10Phil 4,13
  • 11Thomas von Aquin, Summa Theologiae. I-II q. 19 a. 5
  • 12Winterhoff Michael, Tyrannen müssen nicht sein. München 2011. S. 30, 132.
  • 13Mk 12,31
  • 14Thomas von Aquin, Summa Theologiae. II-II q. 28